Montag, 29. Dezember 2008

Intergender

Es ist manchmal interessant zu beobachten, wie sich die Themen doch schnell überschneiden. Curtis A. Hinkle, Gründer der OII (Organisation Intersex International) schreibt über die Ausgrenzung von Intergendern, die in der Intersex Community zu spüren ist.

Why the Intergender Community is so Important to Intersexuals

Often those of us who are intersex who also affirm our intergender identity are marginalized not only by society at large but by the intersex community itself....

Warum die Intergender Gemeinschaft so wichtig für Intersexuelle ist.

Oft werden diejenigen von uns, die Intersexuell sind und ebenfalls eine zwischengeschlechtliche Identität bestätigen nicht nur von der Gesellschaft im Ganzen sondern auch bei der intersexuellen Gemeinschaft marginalisiert werden....

Dieselbe Geschichte also, wie bei Transsexuellen vs. Transgender.

Zwei Absätze weiter schreibt Hinkle:

Another disturbing reason why many activists and “experts” dismiss intergender is a direct result of their insistence on a very essentialist definition of intersex. They often appear to have a vested interest in excluding as many people as possible from their “special” class. This seems quite odd for such a marginalized group of people as the intersexed, but it is true.

Ein anderer beunruhigender Grund, Warum viele Aktivisten und "Experten" Intergender ablehnen ist ein direktes Ergebnis ihres beharrens einer sehr Essentialistischen Definition von Intersex. Sie scheine of ein intensives Interesse daran zu haben, so viele Menschen wie möglich von Ihrer speziellen Klasse Auszuschliessen. Das mag sehr komisch für eine dermassen marginalisierte Gruppe von Menschen wie den Intersexuellen klingen, aber es ist wahr.

Auf dem Blog Zwischengeschlecht bekam ich gestern ein Beispiel einer solchen Definition serviert:

"...bitte also nicht einfach "zwitter" mit "zwangsoperiert" gleichsetzen und uns unterjubeln: auch die 5-20% nicht-operierten mit "uneindeutigen" körperlichen geschlechtsmerkmalen sind eindeutige zwitter, zumindest für uns. transsexuelle hingegen eindeutig nicht. auch wenn das manche transsexuelle bekanntlich anders sehen, wie z.b. du auf deinem blog, wo "Transsexualität eine Unterart der Intersexualität bedeutet" (siehe suchfunktion)..."

Hier treffen wir alle Merkmale an. Die Betonung der Uneindeutigkeit der körperlichen Geschlechtsmerkmale z.B.

Mir fallen auf Anhieb mehrere medizinisch als Intersexuell bekannte Phänomene ein, die auf diese Definition nicht zutreffen.

Natürlich fallen auch Transsexuelle nicht in diese Definition, ironischerweise aber Transgender. Denn man kann schlecht das Gehirn als körperliches Geschlechtsmerkmal ausschliessen und bei Transgendern (und Intergendern) ist dessen geschlechtliche Ausprägung uneindeutig. In der Gedankenwelt von Seelenlos funktioniert das aber Wunderbar.

Woher das kommt, hat Kim wunderbar in einem Kommentar zu Divide et imperae dargelegt:

...Mr. Seelenlos definiert hier also Geschlecht über den Penis - Zwitter sind für ihn Menschen mit eben 'uneineindeutigem' Genitale. Klar, dass man bei so einer eingeschränkten Definition Probleme mit transsexuellen Menschen haben muss... wer glaubt, dass ein Penis oder das Fehlen des solchen geschlechtsbestimmend sind, wird vielleicht guter Freund der Psychoanalyse werden können (eine Psychologieform, die für ihr faschistoid anmutendes Menschenbild durchaus kritisiert werden kann, ist diese Denke doch Hauptgrund für das Leid das sowohl TS als auch IS heute noch ertragen müssen)...

Und damit schafft sie die perfekte Überleitung zum zweiten Teil des Absatzes:

However, the threat to the intersex movement is not from the intergender community. It is from the very essentialist ideas about intersex that many activists perpetuate based on faulty biological and pathological definitions which not only erase our existence by being so limited but also justify the elimination of any further “ambiguity” and intersex altogether.

Wie auch immer, die Bedrohung der intersexuellen Bewegung kommt nicht von der Intergendergemeinde. Sie kommt von den sehr essentialistischen Ideen über Intersexualtität die soviele Aktivisten aufrecht erhalten, begründet in falschen Biologischen und Pathologischen Definition die nicht nur durch ihre Begrenztheit unsere Existenz auslöschen, sondern auch noch die Beseitigung jeder weiteren Uneindeutigkeit und Intersexualität zusammen bedeutet rechtfertigt.

Essentialismus ist die Begrenzung auf eindeutig Mann und eindeutig Frau - eben das binäre System, das Transgendern, Transsexuellen und Intersexuellen (und genaugenommen auf LGB) die Existenz abspricht - und das in der Gesellschaft so verbreitet ist. Und ich Stimme Curtis A. Hinkle mehr als zu wenn er sagt, dass dies die Hauptbedrohung für Intersexuelle ist, die erst zu den Zwangsoperationen führt (genauso wie zum Wiederwillen, Transsexuelle zu behandeln).

Der Feind sind also auch nicht LGBT wie ich, die auf diese Bedrohung hinweisen, und den ganzen Essentialismus gerne mal als Gedankenkonstrukt durchkreuzen, indem wir Intersexualität erwähnen. Selbst wenn wir dabei nicht ausdrücklich auf Zwangsverstümmelung hinweisen, kämpfen wir damit auch für Intersexuelle.

Durch die Augen der Autoren von Zwischengeschlecht.info stellt sich dies jedoch folgendermassen dar:

Zitate von: Unterstützt den Kampf der Zwitter für Selbstbestimmung und gegen genitale Zwangsoperationen! (http://zwischengeschlecht.net/)

Die Instrumentalisierung und Vereinnahmung von „Intersexualität“ durch andere (Rand-)Gruppen reicht von den Anfängen der Homosexuellenbewegung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zu Gender Studies und Queer Theory.

Und führt zur Aufforderung:

Wirst Du Zeuge von Vereinnahmung von Zwittern durch LGBTQ oder sonstige Dritte, weise auf das damit verbundene Unrecht hin und auf die Dringlichkeit der solidarischen Unterstützung des Kampfes gegen die Zwangseingriffe an Zwittern!

Der Artikel von Curtis E. Hinkle ist übrigens im ganzen sehr lesenswert, und das entsprechende Blog werde ich in die Blogroll aufnehmen.

Zwei weitere Interessante Ausschnitte möchte ich noch übersetzen und kommentieren:

No one has a problem with the idea that most people with female gender identities are of female sex and do not contest this. Is it not a rational assumption that most people with intergender identities are in fact intersex (i.e. of intermediate sex)? I think so. Should I require some medical proof that they are intersex? That is absurd.

Niemand hat ein Problem mit der Idee das die meisten Menschen mit einer weiblichen Geschlechtsidentität dem weiblichen Geschlecht angehören und stellen dies nicht in Frage. Ist es nicht eine logische Vermutung, das Leute mit Intergender-Identitäten in der Tat Intersexuell (zum Beispiel Zwischengeschlechtlich) sind? Ich denke es. Sollte es einen medizinischen Beweis brauchen dass sie Intersexuell sind? Das ist Absurd.

Ich denke, das war eine ganz deutliche Annäherung an Transgenderpersonen!

Another important contribution that intergender activists bring to intersex activism is their insistence on being viewed as whole people, not just bodies. They force us to take our focus from the body and away from an essentialist idea of who we are to the more basic idea of how we actually perceive ourselves and where we fit. For intersex activists to stay focused primarily on the body and our trauma without incorporating the needs of the actual individual in that body and his/her gender identity serves little purpose in the long run because we are seeking to be an integral part of humanity. One cannot be deemed human and intersex legally. To exist as a human legally, you must be categorized as male or female. By listening to intergender voices, we begin to understand the frustration of being silenced and mutilated psychologically and emotionally within this binary system.

Ein weiterer wichtiger Beitrag den Intergender-Aktivisten dem intersexuellen Aktivismus bringen ist ihr Beharren darauf, als ganze Menschen und nicht nur als Körper wahrgenommen zu werden. Sie zwingen uns den Schwerpunkt vom Körper zu nehmen und weg von einer essentialistischen Meinung darüber wer wir sind hin zu einer gründlicheren Meinung wie wir uns tatsächlich selbst wahrnehmen und wo wir hingehören. Wenn die Intersex-Aktivisten weiter vorrangig ihren Schwerpunkt auf den Körper setzen ohne auf die Bedürfnisse des Individuums in diesem Körper und seine oder ihre Geschlechtsidentität einzugehen, ist es auf Dauer von wenig Nutzen denn wir versuchen, ein integrierter Teil der Menschheit zu sein. Jemand kann rechtlich nicht als Mensch und als Intersexuell erachtet werden. Wenn wir Intergendermeinungen zuhören, können wir die Frustration, in diesem binären System zum Schweigen gebracht und emotional und psychologisch verstümmelt zu werden, verstehen.