Zoë Brains Einführung zum Artikel Non, Je ne Regrette Rien brachte mich darauf, dass das Bedauern, dass mich wie die meisten transsexuellen Frauen gelegentlich beschleicht, nicht vorpupertär körperlich zum Mädchen geworden zu sein, eigentlich ziemlich Unsinnig ist. Erstens hatte ich damals einfach den Zugang zu Informationen und Medikation nicht, zweitens haben mich die Erfahrungen die ich in der Zwischenzeit gemacht habe, zu einem selbstbewussteren Menschen gemacht. Es hat mir auch ein männliches Skelett und einen männlichen Schädelknochen gebracht, und ob ich jemals wieder genügend Haare aus natürlicher Quelle haben werde ist unklar.
Doch ich habe schon von vielen sehr Jungen transsexuellen Frauen gehört die sich, obwohl nicht oder kaum von natürlich geborenen Frauen zu unterscheiden, so unvollkommen vorkommen, dass sie Ihr Leben nicht geniessen können und nicht selten von einer kosmetischen Operation zur Nächsten rennen. Und ich kann mir vorstellen, dass mir das ahnlich gegangen wäre. Ich könnte mir vorstellen, dass ich mich bemüht hätte, mein Leben so übermässig feminin zu gestalten, dass ich damit wieder einen Teil von mir geleugnet hätte. Eines ist sicher, dass ich weniger verdienen würde; meinen Traum, Kindergärtner zu werden gab ich wegen der niedrigen Einkommen auf, die eine Person sich nur leisten kann, wenn es einem Partner gibt, der sie Unterstützt . Aber heute habe ich einen Beruf, der mich ebenfalls fordert, mir Spass macht und den ich liebe – aber der mir ausserdem deutlich besseres Einkommen sichert – und damit Unabhängigkeit. Auch eines meiner Hobbys ist so männlich, dass ich dieses Interesse wohl unterdrückt hätte, und das mir heute viel gibt: Klassische Sportwagen.
Ungefähr zwanzig Jahre als erwachsene Person in einem falschem Körper konnte ich nur überleben, in dem ich lernte, zu schätzen, was ich bin, und nicht irgendein abstraktes Traumbild anzustreben, dass ich nie erreichen kann. Die gefühlten Schmerzen der körperlichen Fehlerhaftigkeit konnte das nie auslöschen, aber so wie ich einen technischen Beruf habe, und ein eher typisch maskulines Hobby, aber das nie wegen des Passings als Mann machte, so hielt ich mich auch von maskulinen Spässen fern, die so gar nicht zu mir passten. Und so verbog ich mich nie zu sehr, und nachdem mittlerweile meinen sozialen Umstieg gemacht habe, stehe ich nicht mehr in der Versuchung, mich zu Verbiegen nur um besonders Feminin zu wirken – und stattdessen endlich ich zu sein. Ein Selbst, dass ich nach so langen Jahren des Verbiegens aber auch teilweise erst wieder entdecken muss – und das macht Spass :-) Und so fühle ich mich etwas mehr als Mitte Dreissig wie ein Teenager. Und ich kann mein imperfektes Äusseres nicht nur Ertragen sondern wirklich Schätzen, denn das bin (endlich) ich.
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Das Lied im Original von Gloria Gaynor ist es Wert vollständig gehört zu werden: