Sonntag, 1. März 2009

Alltagstest – Hier und Anderstwo

Eine Bloggerin mit dem Nick “Hear me roar” hat vor kurzem die Geschichte Ihrer Transition veröffentlicht hätte, und wie sie die Behandlung fast getötet hätte: I Changed Sex and Died.

Wie viele andere wurde sie gezwungen, den sogenannten Alltagstest ohne vorhergende Hormonbehandlung zu durchlaufen. Womit sie wie jede transsexuelle Person erst einmal wie eine Persiflage des Wunschgeschlechts wirkt. Sie verlor ihre Familie, ihr Einkommen, Freunde, die dasselbe durchmachten und es nicht überlebten – und war so weit, ihr eigenes Leben mit einer Überdosis Schlaftabletten zu beenden. Ein Polizist wurde auf die leblose Person aufmerksam und brachte sie ins Krankenhaus – sie überlebte und war dennoch mehr Tod als Lebendig. So konnte sie die Transition nicht fortführen. Sie kam bei Freunden unter lebte nach Außen wieder als Mann, fand wieder ein Einkommen und sparte, bis sie es sich leisten konnte, alles selbst in die Hand zu nehmen, Hormone, FFS bei Dr. Ousterhout, GaOP bei Dr. Suporn. Als alles Vorbei war, kehrte sie wieder in ihr Heimatdorf zurück, in Deep Stealth (daher, niemand weis von ihrer Vergangenheit) und seitdem führt sie ein glückliches und zufriedenes Leben – Unerkannt selbst von ehemaligen Freunden.

Die Geschichte liegt bemerkenswert Nahe an meiner eigenen, nur dass ich mich nie zu dem Alltagstest durchgerungen habe, weil für mich die Angst vor genau einem solchen Ergebnis zu Gross war. Das hat mich gute 15 Jahre meines Lebens gekostet. Als ich schliesslich den sozialen Umstieg machte (für mich ist es kein Test) hatte ich zumindest ein halbes Jahr Hormone, und das hatte bereits Gewaltiges ausgemacht. Meine Begegnung mit dem Schweizer System, das noch rigider als das in Deutschland ist, und die Erlebnisse die ich von anderen gehört habe, haben mich darin bestärkt, meinen Weg ohne diese “Hilfe” zu gehen, und sowohl Dr. Ousterhout als auch Dr. Suporn werden meine Chirurgen sein. Was ich mir ironischerweise auch erst jetzt leisten kann, wenigstens ein Vorteil, das sich alles so verzögert hat. Als positives Ergebnis werde ich aber ganz sicher nicht in den Statistiken auftauchen – das bleibt für die Reserviert, die man mit diesem System der Existenzgrundlage, dem sozialen Umfeld und teilweise auch jeder Chance auf eine echte Sexualität genommen hat.

Jamison Green, der im Vorstand der WPATH sitzt, welche die International Standards of Care (Internationale Behandlungsempfehlungen) reagierte in einem Blogpost auf den Bericht von “Hear me Roar” dass dies eben nicht den herausgegebenen Richtlinien entspricht und das heute keine Alltagserfahrung ohne vorhergehende Hormonbehandlung (gängig sind gut 4 Monate) gibt. Und den Begriff Test gibt es nicht mehr, dies ist kein Test den die Behandler zur Diagnose benötigen, sondern soll die vor der endgültigen Entscheidung zur Operation zu einer Erfahrung verhelfen. Und man weis bei WPATH dass eine Alltagserfahrung ohne Hormone gar nicht möglich ist.

In den Kommentaren machte ich ihn darauf Aufmerksam, dass das leider in der Schweiz und Teils in Deutschland auch nichts hilft, da diese sich an eigene, sehr zynische Behandlungsrichtlinien halten. In Deutschland weicht das auf, in der Schweiz dagegen wird es Dogmatisch befolgt. Selbst Dr. Sophinette Becker, die die Leitung bei dem Projekt “Deutsche Standards of Care” hatte, hält das für einen grossen Fehler.

Jamison Green meinte, dass die iSOCs nun einmal nicht bindend sind und es allen Behandelnden frei steht zu tun und zu lassen, was sie wollen, eine Kontrollinstanz gibt es nicht. Und er meinte, dass die Situation in Frankreich wohl sogar noch Schlimmer für transsexuelle Menschen ist. Wenig Erfreuliches also.

Comments (11)

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Danke für's Posten. Das Beharren auf Alltagstest vor Hormonen halte ich für einen Fehler, der Menschenleben kosten kann. Die einzige Ausnahme, wo das vielleicht noch Sinn macht, sind Leute, deren Passing sich durch Hormone nur wenig ändert. Nur wird's uns eben allen übergebügelt.

Ich könnte eine Menge Geschichten erzählen von Leuten, die diese Pflicht nach den sogenannten "Standards of Care" nicht einhalten. Hab ich ja auch nicht. Sorry, Transmann ohne Passing vor Hormonen, egal wie ich's versuchte. Mir war's zu blöd, überall, auch auf der Arbeit, die passende Anrede durchzusetzen, wenn ich nicht wenigstens uneindeutig aussah. Aber ohne das keine Freigabe für Hormone.

Also hatte ich nur 2 Möglichkeiten:

1. Therapeuten ein Jahr lang anlügen und die (von der KK verlangte und teuer bezahlte) Therapie wird sinnlos, weil das Vertrauensverhältnis dadurch noch mehr vergurkt wird als durch die "gaktekeeper-funktion" alleine.
2. Mich autoritätshörig im Betrieb zum Affen machen, und ein Jahr lang (!!!) passiert nix. Hab das ja schon im Freundeskreis gemerkt, wo ich out war, dass die das irgendwann nur noch für Geschwätz hielten, weil nicht schnell was körperlich passierte.

Herrgott, all das nur für Hormone! Und du willst nicht wissen, wieviele MzF's sich ihre Hormone besorgt haben, paar Wochen vor dem Endokrinologenbesuch abgesetzt, damit es normal aussieht beim Befund usw.

Eigentlich ist es egal, was sich die Psychofuzzis für Gedanken machen und für Barrieren aufstellen. Für Transsexuelle ist der Mist nur dazu gut, ihn zu "knacken".
2 replies · active 754 weeks ago
Danke :-)
Ach ja, ich bin Post Op ohne F64.0 Gutachten, stell dir mal vor, wie das wohl geht.
Falls das jetzt in irgendeinerweise zynisch auf dich wirkte... ich fürchte, ich kann derzeit mit unserem Thema einfach nicht anders umgehen.
Ach ja, und besonders wütend macht es mich, wenn so bevormundender und sinnloser Blödsinn gefordert wird wie ein "Alltagstest ohne Passing" (weil ja eben noch keine Hormone). Seit ich mit diesem ganzen Transkram zu tun habe, muss man mich echt mit Waffengewalt zu einer Psychotherapie bringen, wenns mir mal schlecht geht. Ich habe durch einen solchen weltfremden, inkompetenden oder gar sadistischen Blödsinn echt jegliches Vertrauen in diese Branche verloren.
3 replies · active 352 weeks ago
Einfach nur: Mit
Doch horch, was kommt da des Waldes (tschuldigung, anderer Blogs) rein? Da sagt ein Chris(t?)
"Mit der Aussage, dass der Alltagstest Blödsinn ist, könntest du andere Gleichgesinnte ziemlich verletzen. Der Alltagstest ist immer gut, egal wie sicher man sich ist."
Das ganze ist auch ein Grund warum ich schon so lange mein Geheimnis mit mir zuschleppe, das was mit mir "nicht stimmt" weiß ich schon von klein auf, bin jetzt 36, all dieser demütigende Quatsch ist der Grund für das Schweigen, man bringt sich wirklich lieber selber um als als das durchzumachen, das man weniger Angst vor dem Tod hat als vor den ganzen erniedrigen Dreck sagt schon einiges aus. Kein Schwerverbrecher wird so schlecht behandelt wie wir!
sandymandy's avatar

sandymandy · 602 weeks ago

Alltagstest ist nur Sinn bei Leuten die sich nicht sicher sind, ob sie nicht doch einen anderen Weg gehen möchten. Ansonsten find ich es immer absurder je älter die Betroffenen sind, besonders bei MzF. Ne Frau in Männerkleidung juckt nunmal keinen, auch wenn einige doof gucken. Ein "verkleideter Mann" MzF (und so sehen nunmal viele aus ohne Hormontherapie) wird zum Gespött und im schlimmsten Fall sogar Opfer von Gewalttaten. Auf jeden Fall ist es Stress ohne Ende, rede aus Erfahrung.
sandymandy's avatar

sandymandy · 602 weeks ago

Ausserdem gehts ja theoretisch darum auch als Person mit dem neuen Geschlecht akzeptiert zu werden. Es wird aber überwiegend (oder sogar nur pre Hormone) akzeptiert, dass die Person jetzt in anderer Kleidung rumrennt. Die "Verkleidung" wird akzeptiert. Mag ja sein, dass einige sagen es "passt", aber männlich oder weiblich hängt nunmal vorallem mit dem Körper zusammen. Auch wenn sich ein Mann total "weibisch und tuntig" verhält is der doch noch lange keine Frau für mich. Mit Busen etc. pp. wäre das allerdings ne ganze andere Sache :) Pro Hormone Pre Hormone ^^
Der Alltagstest hat man der AOK zu verdanken, diese war es die damals darauf pochte das man das tun müsse mit den Huntergrundwissen und Gedanken das viele diesen test nicht machen können oder überstehen um Kosten einzusparen, die wußten genau das viele abspringen, das viele soagr Suizid begehen wurde eingerechnet aber Geld zählt ja mehr als Menschenlebven. Der Alltagstest ist die Zeit wo die Depressionen am schwersten sind, die Suizidrate am höchsten und fast jeder seinen Job und mehr verliert. Meiner Meinung nach gehört der Alltagstest verboten da dieser auch massiv gegen das Grundgesetz verstößt. Gäbe es den Test nicht hätte ich mich auch schon längst geoutet aber ich lebe in einem sehr intoleranten Umfeld und auf der Arbeit habe ich bei Events mit 30.000 bis 40.000 Gästen zu tun die sich in dieser Einrichtung befinden in dem die Events stattfinden, auf der Arbeit herrscht strenge Kleiderordnung geschlechtsgetrennt etc., wie soll man da 7 bis 12 Moante einen auf Transvestie machen die mit Transgender GAR NICHTS zu tun hat?
Ein großes Problem ist auch das ich bereits 36 bin und wegen all den Problemen und Intoelranzen so lange gewartet habe und je längerman gewzungen wird weiter zu warten desto problematischer wird es, ein ist ein Unding das man in der Schweiz aber gerade in Deutschland sein eigenes leben und Schicksal in den Händen wildfremder Menschen legen muss. Mann ist von Anfang bis Ende vollkommen hilflos ausgeliefert. Es ist kein Wunder das die Selbstmordrate bei über 40% liegt und die Depressionsrate bei 90%, das jeder dritte Suizid in Deutschland auf das Konto von Homo und Transsexsualität geht.

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