In ihrem Blog beim Magazin Mother Jones berichtet eine Mutter, wie sie ob der Geburt einer Tochter mit Werbegeschenken überhäuft wurde – alle in Pink.
Wie ich, ist Lauren Sandler in den 70ern aufgewachsen. Geschlechtsstereotypen waren aus der Mode. Viele Bilder aus meiner vorpubertären Kindheit kann ich heute Unwissenden zeigen, ohne dass der geringste Verdacht meiner medizinischen Vergangenheit auftaucht. Auch im vielgelesenen Mamablog wurde das Phänomen schon diskutiert. Einem Kommentar ist zu entnehmen, dass das Phänomen selbst Hochburgen der Gleichberechtigung erreicht: “…wir leben nämlich in Norwegen, und auch dort gibt es momentan nur rosa und blau mit kaum Zwischentönen.”
Und so fragt sie zurecht: “Was ist eigentlich passiert?”
Zunächst zeigt sie die amerikanische Entwicklung der Kinderkleidung auf. Erst in den ersten zwei Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts kamen farbliche Unterscheidungen überhaupt in Mode. Die Dichotomie der beiden Farben nahm in dieser Zeit ihren Ursprung, nur genau umgekehrt, wie man es heute Kennt. Rot war eine kräftige und damit maskuline Farbe. Pink war die Kinderfreundliche Version. Blau war die Farbe des Schleiers der Jungfrau Maria und stand essentiell für Feminität. Sie zitiert das “Ladies’ Home Journal” von 1918, das Müttern rät:
“Pink, eine bestimmtere und stärkere Farbe, ist passender für die Jungen, während Blau, das eher graziler und anmutiger, hübscher für die Mädchen ist.”
Zur Zeit des zweiten Weltkriegs kehrte sich die Farbenzuorndung dann um. Das könnte daran liegen, dass, passend zu den Zeiten, der blaue “Marinelook” aus Europa in die USA überschwappte.
Dort hatte sich die Kinderkleidung doch etwas anders entwickelt. Laut Wikipedia war es bis in 19. Jahrhundert üblich, das Jungen bis zum 5. und 6. Lebensjahr Kleidung trugen, die nahezu gleich war wie die der Mädchen, nur das Korsett bei den Mädchen stärker geschnürt wurde um die Entwicklung der weiblichen Körperform zu stützen. Das Wachstum der Brüste jedoch sollte Behindert werden – die waren damals nicht so in Mode. Erst später kamen stärker geschlechtsgetrennte Kleidungselemente in Mode. Farblich allerdings völlig unbestimmt. Um Jahrhundertwende inspirierte die Matrosenuniform die Mode, hier nun wieder eher Unisex (und wie im Bild zu sehen trägt auch dieser Junge einen Rock).
Das Mother Jones Blog wird weiter berichtet, wie sehr junge Mädchen diesem Pink-Trip folgen, unter anderem berichtet es von einer Mutter, die ihrer dreijährigen Tochter erst beweisen musste, dass alle ihre Pinken Sachen alle in der Wäsche befanden, bevor diese bereit war, etwas anderes anzuziehen. Und auch der Mamablog Artikel zeigt auf, wie empfindlich die Kinder darauf achten, geschlechtlich richtig aus zu sehen, farblich und in Bezug auf die Haarlänge. Einige Sozialpsychologen (die Nurture, also “alles ist anerzogen oder durch die Umwelt geprägt”-Seite) gaben dem Phänomen den Namen: “Pink Frilly Dress”-Syndrom, untersuchten es, und kamen zu dem Schluss, dass das Geschlechtszugehörigkeits empfinden massiv von Farben und Kleidung abhängt – eben der selbe Umkehrschluss, den John Money einst in Bezug auf die Genitalien hatte. Doch damit nicht genug der psychologischen Wirren, Neurowissenschaftler mit dem Gedankengut von Evolutionspsychologen (die Nature, also “alles ist angeboren”-Seite) ihrerseits schlossen im wahrsten Sinne des Wortes das Blaue vom Himmel herunter. Da Männer ja gutes Jagdwetter bevorzugten, prägte der geschätzte blaue Himmel sich in die Gene ein, während Frauen eine Vorliebe für Rot entwickelten – die Farbe genießbarer Früchte.
Ein Phänomen, das erst in den letzten 60 Jahren und mit Unterbrechungen existiert, soll also vor Jahrtausenden in unser Genom programmiert worden sein und ohne sorgfältige Kleider- und Farbordnung können die jungen Kinder kein Geschlechtszugehörigkeitsempfinden entwickeln? Sind etwa alle in den 70er Jahren aufgewachsenen Menschen Geschlechtsidentitätsgestört (der amerikanische Begriff Gender Identity Disorder bringt es noch etwas besser auf diesen Punkt)?
Wohl kaum, aber diese Idee ist unglaublich Haltbar. Als kürzlich ein schwedisches Ehepaar sich Outete alle geschlechtsstereotypen Anforderungen von ihrem Kind fern zu halten – in dem sie sein Geschlecht verheimlichen, mutmaßte selbst das Mamablog “Zwitter per Erziehung?” (meine zwischengeschlechtlichen Leser mögen mir das unreflektierte Titelzitat verzeihen), ja in den Kommentaren ist sogar von “Gefährdung des Kindswohls” die Rede, “Derartige Experimente an Menschen müßten unter Strafe gestellt werden! Wer schützt wehrlose Kinder vor solchen Eltern? Warum schreitet bei einer solch massiven Kindeswohlgefährdung kein Jugendamt ein?”
Das sich der letztgenannte Autor allerding gerade diese Erziehungsweise mit John Moneys Menschenrechtsverbrechen vergleicht, ist ein Paradoxon. Auf John Money geht die Idee zurück, dass Genitalien und Erziehung in ein Geschlechtszugehörigkeitsempfinden münden. Auf diese Idee geht der Widerwillen gegen Pops Erziehung genauso zurück wie die Umerziehungsversuche eines Kenneth Zuckers an Kindern, die mit der sogenannten “Geschlechtsidentitätsstörung im Kindesalter” (wie Transsexualität eine Persönlichkeitsstörung in der F-Gruppe der ICD 10) diagnostiziert wurden. Kindern, die das gesellschaftliche Rollenspiel verweigern. Damit werden ungleich mehr Jungen pathologisiert als Mädchen, die Angst vor Jungen mit einem Faible für Barbies und Pink ist ungleich grösser als die vor Mädchen, die gerne auf Bäume Klettern, Hosen tragen und das neueste Quake spielen.
Zucker setzt auf Entzug und Verbot – kein Pink im Haus, keine Mädchenfreundschaften mehr und selbst beim Zeichnen herrscht strengstes Verbot, Mädchen oder Schmetterlinge zu malen.
Ein Zeichen von Transsexualität ist das nicht unbedingt, laut den Studien Zuckers (Kannada) und Green (Großbritannien) sind nur etwa 5% der entsprechenden Kinder Transsexuell. Etwa 45% Homosexuell und die restliche Mehrheit entwickelt sich zum erwachsenen, gesellschaftlich anerkannten Standardmodell.
Dennoch lässt sich bei transsexuellen Menschen ein Hang zu geschlechtlichem Rollenverhalten feststellen. Genau wie andere Mädchen um sie herum nehmen auch transsexuelle Kinder diese Geschlechtsrollen wahr – und genau wie andere Kinder ihres Geschlechts nehmen sie diese Hinweise auf. Je nach angeborenem Geschlechtsrollenempfinden übernehmen sie diese aus der Gesellschaft – und meist unterdrücken sie den Wunsch, lernen schnell diese Wünsche nicht zu äußern oder gar auszuleben. Es braucht keinen Kenneth Zucker, denn Eltern und Umwelt kommen meist auf die selben, nicht wissenschaftlich Sanktionierten Ideen.
Weder bei Zucker noch bei wohlmeinenden Eltern ändert sich allerdings je etwas an dem Geschlechtszugehörigkeitsempfinden, die Kinder lernen es nur zu verstecken, zu unterrücken und oft hilft es, ein wenig Geschlechtsrolle zu spielen. Je stärker die Unterdrückung, desto stärker und länger wird dieses Ventil genutzt – auch wenn es nicht wirklich hilft. Und wenn Transsexuelle dann die soziale Rolle ändern, wird dieser Aspekt oft erst einmal Überbetont. Und speziell im deutschsprachigen Bereich wo Sophinette Beckers Behandlungsstandards gelten, wird das Geschlechtsrollenauftreten in der Behandlung auch mit Behandlungsbedarf gleichgesetzt. So mancher Transvestit hat, so der denn auf die, dann sehr dumme Idee kommt, größere Chancen auf eine Behandlung für Transsexualität als Betroffene, die ihre weiblichen Empfindungen nicht auf Kleidung projizieren.
Es gibt wesentliche angeborene Eigenschaften der Geschlechter, die auch bei Transsexuellen ihrem gefühlten Geschlecht entsprechen, aber erst die Kultur unterstreicht und übertreibt sie, ein Gen für Pink gibt es nicht.
Und was ist nun mit Pop? Was soll mit dem Kind sein? Es weis doch längst was es ist. Viel besser als die Eltern, die nur seine Genitale kennen. Daran wird ein geschlechtsrollenbefreites Aufwachsen nichts verändern.
Geschlechtsrollendoktor Kenneth Zucker.