Freitag, 23. Oktober 2009

Pretty in Pink

In ihrem Blog beim Magazin Mother Jones berichtet eine Mutter, wie sie ob der Geburt einer Tochter mit Werbegeschenken überhäuft wurde – alle in Pink.

KleinSarahWie ich, ist Lauren Sandler in den 70ern aufgewachsen. Geschlechtsstereotypen waren aus der Mode. Viele Bilder aus meiner vorpubertären Kindheit kann ich heute Unwissenden zeigen, ohne dass der geringste Verdacht meiner medizinischen Vergangenheit auftaucht. Auch im vielgelesenen Mamablog wurde das Phänomen schon diskutiert. Einem Kommentar ist zu entnehmen, dass das Phänomen selbst Hochburgen der Gleichberechtigung erreicht: “…wir leben nämlich in Norwegen, und auch dort gibt es momentan nur rosa und blau mit kaum Zwischentönen.”

Und so fragt sie zurecht: “Was ist eigentlich passiert?”

Zunächst zeigt sie die amerikanische Entwicklung der Kinderkleidung auf. Erst in den ersten zwei Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts kamen farbliche Unterscheidungen überhaupt in Mode. Die Dichotomie der beiden Farben nahm in dieser Zeit ihren Ursprung, nur genau umgekehrt, wie man es heute Kennt. Rot war eine kräftige und damit maskuline Farbe. Pink war die Kinderfreundliche Version. Blau war die Farbe des Schleiers der Jungfrau Maria und stand essentiell für Feminität. Sie zitiert das “Ladies’ Home Journal” von 1918, das Müttern rät:
“Pink, eine bestimmtere und stärkere Farbe, ist passender für die Jungen, während Blau, das eher graziler und anmutiger, hübscher für die Mädchen ist.”

Zur Zeit des zweiten Weltkriegs kehrte sich die Farbenzuorndung dann um. Das könnte daran liegen, dass, passend zu den Zeiten, der blaue “Marinelook” aus Europa in die USA überschwappte.

Dort hatte sich die Kinderkleidung doch etwas anders entwickelt. Laut Wikipedia war es bis in 19. Jahrhundert üblich, das Jungen bis zum 5. und 6. Lebensjahr Kleidung trugen, die nahezu gleich war wie die der Mädchen, nur das Korsett bei den Mädchen stärker geschnürt wurde um die Entwicklung der weiblichen Körperform zu stützen. Das Wachstum der Brüste jedoch sollte Behindert werden – die waren damals nicht so in Mode. Erst später kamen stärker geschlechtsgetrennte Kleidungselemente in Mode. Farblich allerdings völlig unbestimmt. Um Jahrhundertwende inspirierte die Matrosenuniform die Mode, hier nun wieder eher Unisex (und wie im Bild zu sehen trägt auch dieser Junge einen Rock).

Das Mother Jones Blog wird weiter berichtet, wie sehr junge Mädchen diesem Pink-Trip folgen, unter anderem berichtet es von einer Mutter, die ihrer dreijährigen Tochter erst beweisen musste, dass alle ihre Pinken Sachen alle in der Wäsche befanden, bevor diese bereit war, etwas anderes anzuziehen. Und auch der Mamablog Artikel zeigt auf, wie empfindlich die Kinder darauf achten, geschlechtlich richtig aus zu sehen, farblich und in Bezug auf die Haarlänge. Einige Sozialpsychologen (die Nurture, also “alles ist anerzogen oder durch die Umwelt geprägt”-Seite) gaben dem Phänomen den Namen: “Pink Frilly Dress”-Syndrom, untersuchten es, und kamen zu dem Schluss, dass das Geschlechtszugehörigkeits empfinden massiv von Farben und Kleidung abhängt – eben der selbe Umkehrschluss, den John Money einst in Bezug auf die Genitalien hatte. Doch damit nicht genug der psychologischen Wirren, Neurowissenschaftler mit dem Gedankengut von Evolutionspsychologen (die Nature, also “alles ist angeboren”-Seite) ihrerseits schlossen im wahrsten Sinne des Wortes das Blaue vom Himmel herunter. Da Männer ja gutes Jagdwetter bevorzugten, prägte der geschätzte blaue Himmel sich in die Gene ein, während Frauen eine Vorliebe für Rot entwickelten – die Farbe genießbarer Früchte.

Ein Phänomen, das erst in den letzten 60 Jahren und mit Unterbrechungen existiert, soll also vor Jahrtausenden in unser Genom programmiert worden sein und ohne sorgfältige Kleider- und Farbordnung können die jungen Kinder kein Geschlechtszugehörigkeitsempfinden entwickeln? Sind etwa alle in den 70er Jahren aufgewachsenen Menschen Geschlechtsidentitätsgestört (der amerikanische Begriff Gender Identity Disorder bringt es noch etwas besser auf diesen Punkt)?

Wohl kaum, aber diese Idee ist unglaublich Haltbar. Als kürzlich ein schwedisches Ehepaar sich Outete alle geschlechtsstereotypen Anforderungen von ihrem Kind fern zu halten – in dem sie sein Geschlecht verheimlichen, mutmaßte selbst das Mamablog “Zwitter per Erziehung?” (meine zwischengeschlechtlichen Leser mögen mir das unreflektierte Titelzitat verzeihen), ja in den Kommentaren ist sogar von “Gefährdung des Kindswohls” die Rede, “Derartige Experimente an Menschen müßten unter Strafe gestellt werden! Wer schützt wehrlose Kinder vor solchen Eltern? Warum schreitet bei einer solch massiven Kindeswohlgefährdung kein Jugendamt ein?”

Das sich der letztgenannte Autor allerding gerade diese Erziehungsweise mit John Moneys Menschenrechtsverbrechen vergleicht, ist ein Paradoxon. Auf John Money geht die Idee zurück, dass Genitalien und Erziehung in ein Geschlechtszugehörigkeitsempfinden münden. Auf diese Idee geht der Widerwillen gegen Pops Erziehung genauso zurück wie die Umerziehungsversuche eines Kenneth Zuckers an Kindern, die mit der sogenannten “Geschlechtsidentitätsstörung im Kindesalter” (wie Transsexualität eine Persönlichkeitsstörung in der F-Gruppe der ICD 10) diagnostiziert wurden. Kindern, die das gesellschaftliche Rollenspiel verweigern. Damit werden ungleich mehr Jungen pathologisiert als Mädchen, die Angst vor Jungen mit einem Faible für Barbies und Pink ist ungleich grösser als die vor Mädchen, die gerne auf Bäume Klettern, Hosen tragen und das neueste Quake spielen.

Zucker setzt auf Entzug und Verbot – kein Pink im Haus, keine Mädchenfreundschaften mehr und selbst beim Zeichnen herrscht strengstes Verbot, Mädchen oder Schmetterlinge zu malen.

Ein Zeichen von Transsexualität ist das nicht unbedingt, laut den Studien Zuckers (Kannada) und Green (Großbritannien) sind nur etwa 5% der entsprechenden Kinder Transsexuell. Etwa 45% Homosexuell und die restliche Mehrheit entwickelt sich zum erwachsenen, gesellschaftlich anerkannten Standardmodell.

Dennoch lässt sich bei transsexuellen Menschen ein Hang zu geschlechtlichem Rollenverhalten feststellen. Genau wie andere Mädchen um sie herum nehmen auch transsexuelle Kinder diese Geschlechtsrollen wahr – und genau wie andere Kinder ihres Geschlechts nehmen sie diese Hinweise auf. Je nach angeborenem Geschlechtsrollenempfinden übernehmen sie diese aus der Gesellschaft – und meist unterdrücken sie den Wunsch, lernen schnell diese Wünsche nicht zu äußern oder gar auszuleben. Es braucht keinen Kenneth Zucker, denn Eltern und Umwelt kommen meist auf die selben, nicht wissenschaftlich Sanktionierten Ideen.

Weder bei Zucker noch bei wohlmeinenden Eltern ändert sich allerdings je etwas an dem Geschlechtszugehörigkeitsempfinden, die Kinder lernen es nur zu verstecken, zu unterrücken und oft hilft es, ein wenig Geschlechtsrolle zu spielen. Je stärker die Unterdrückung, desto stärker und länger wird dieses Ventil genutzt – auch wenn es nicht wirklich hilft. Und wenn Transsexuelle dann die soziale Rolle ändern, wird dieser Aspekt oft erst einmal Überbetont. Und speziell im deutschsprachigen Bereich wo Sophinette Beckers Behandlungsstandards gelten, wird das Geschlechtsrollenauftreten in der Behandlung auch mit Behandlungsbedarf gleichgesetzt. So mancher Transvestit hat, so der denn auf die, dann sehr dumme Idee kommt, größere Chancen auf eine Behandlung für Transsexualität als Betroffene, die ihre weiblichen Empfindungen nicht auf Kleidung projizieren.

Es gibt wesentliche angeborene Eigenschaften der Geschlechter, die auch bei Transsexuellen ihrem gefühlten Geschlecht entsprechen, aber erst die Kultur unterstreicht und übertreibt sie, ein Gen für Pink gibt es nicht.

Und was ist nun mit Pop? Was soll mit dem Kind sein? Es weis doch längst was es ist. Viel besser als die Eltern, die nur seine Genitale kennen. Daran wird ein geschlechtsrollenbefreites Aufwachsen nichts verändern.

kenneth-zucker

Geschlechtsrollendoktor Kenneth Zucker.

Freitag, 16. Oktober 2009

Der fröhliche Beitrag

Im einem Beitrag kürzlich machte ich auf fehlende fröhliche Meldungen aufmerksam und erklärte auch warum. Nun ja, dass ein Teil meiner mangelnden Juhuschreie auf meine Gallensteine zurückzuführen ist, war mir da noch nicht bekannt. Wie auch immer - ich schrieb, dass ich gerade eine (netterweise bezahlte) Pause nutze, um über meine beruflichen Ziele nachzudenken. Die erste Erkenntnis deutete ich bereits an. Ich will mehr Team, auch gerne mehr Verantwortung (nicht zum ersten mal), also versuche ich nun verstärkt Team- oder Projektleitung zu übernehmen. Angenehmerweise wird sich das auch in einer finanziellen Verbesserung deutlich machen.
Aber ich habe noch etwas anderes für mich heraus gefunden. Durch eine Entscheidung meiner Mutter kam ich nicht auf das Gymnasium, was vom Notenspiegel her möglich gewesen wäre. Meine spätere berufliche Laufbahn war dann sehr gemischt, was auch mit meiner medizinischen Kondition und Verdrängungsbemühungen zusammen hing. Ich fing später an, das Abitur nachzuholen, wurde aber von meinem eigenen beruflichen Erfolg in der Informationstechnologie sozusagen Rechts überholt, und ich hatte schnell eine Position, die letztlich auch mit einem Informatikstudium im Hintergrund nicht besser hätte sein können (das hat sich die letzten 12 Jahre durchgängig gehalten). Den Kurs zum Erlangen der Reifeprüfung habe ich dabei längst vergessen. Jetzt, wo die wichtigsten Dinge in meinem Leben geklärt sind, nagt es jedoch etwas an mir.
Und so war ein Teil meiner Überlegungen doch noch einmal in Richtung Studium. Das würde Bedeuten, jetzt noch einmal das Abitur nach zu machen und dann auf jede Menge Einkommen verzichten um zu studieren. Und Informatik wäre natürlich total unsinnig. Nach so langer Zeit in der IT ist die Praxis Qualifikation genug. Und jetzt geht es eigentlich auch gar nicht um die Karriere. Wenn ich jetzt etwas Studieren will, dann doch bitte das was mich auch reizt. Und was für ein Fach das ist, das habe ich heute heraus gefunden: Kulturanthropologie
Das ist der Begriff für etwas, dass ich in letzter Zeit ständig gemacht habe, eine Forschung über die ich auch hier, auf Zeit.de oder in den Brainlogs geschrieben habe - natürlich immer mit Fokus auf (m)ein Thema.
Ich zitiere einmal die Berufsberatung der Schweiz:

Worum geht es in der Kulturanthropologie: Die Wissenschaft von den europäischen Kulturen

Kulturanthropologie beschäftigt sich damit, wie Menschen in Europa ihren Alltag gestalten. Wie gehen sie miteinander um, wie verständigen sie sich? Wie denken sie über Gegenwart, Geschichte und Zukunft nach? Die Vielfalt kultureller Phänomene ist enorm, und sie sind im Fluss: Das Verhalten der Menschen und ihr Denken über die Welt verändern sich. Das kann abrupt geschehen, über die Generationen hinweg oder eher kontinuierlich, langsam. So ist das Konsumverhalten der Jugendlichen heute sicherlich anders als vor zwanzig Jahren. Ebenso wandeln sich ethische Massstäbe und die Bedeutung verschiedener Rituale. Begleitet werden solche kulturellen Prozesse vielfach von Konflikten – zwischen Generationen, sozialen Schichten, Geschlechtern und Interessensgruppen.
...
Anforderungen
Offenheit gegenüber der Vielfalt unserer Gesellschaft, Kontaktfreude, eine grosse Portion Neugier sowie Toleranz gegenüber dem Denken und Empfinden anderer Menschen sind Grundvoraussetzungen, die man für ein Studium der Kulturanthropologie bzw. der Populären Kulturen mitbringen sollte.

Erledigt, abgehakt. (Allerdings werde ich keine anthropologische Studie unter Germanys Next Top Model Kandidatinnen machen können ;-) )

Ausserdem müssen Studierende bereit sein, viel zu lesen. Es wird nicht nur mit volkskundlichen Büchern gearbeitet, sondern auch mit Fachliteratur aus der Geschichte, Pädagogik, Psychologie, Soziologie usw. Erwartet wird auch die Fähigkeit, Texte in europäischen Fremdsprachen lesen zu können.

Hat jemand auf meine Freizeitgestaltung geschaut und dann die Anforderungen geschrieben?

Auch wenn das natürlich auf diesem Blog ein Muss ist, ich interessiere mich generell für die ganze Bandbreite, schon in der Schule war ich "der Experte" für Allgemeinwissen. Noch ein wenig Geschichte und Psychologie dazu und ich kann als Expertin in Zukunft das alles einbringen wo genau so etwas gesucht wird - am direktesten wohl in den Medien. Und was mache ich gerne? Darüber schreiben. Aber dabei muss es ja nicht bleiben.

Von so einem Studium wusste ich bislang nichts. Wenn ich über das Thema nachgedacht habe, landete ich oft bei Geschichte (aber ich will keine Daten über Schlachten auswendig lernen) und Antrophologie (die Erkenntnisse werden doch kaum mit unserer Kultur abgeglichen). Aber mit einer Kombination von Anthropologie und spezialisierter Geschichte oder Psychologie als Nebenfach kann ich meine Interessen genau abdecken.

Und damit habe ich ein echtes Ziel. Und das macht mich wirklich Fröhlich. Schade nur, dass ich so lange dafür gebraucht habe... im Post und im realen Leben ;-)


Sonntag, 4. Oktober 2009

Artikel in den Brainlogs

Die Brainlogs sind Blogs von Autoren des Fachmagazins Gehirn und Geist. Blogger Stephan Schleim bat mich nach einer längeren Diskussion seines Beitrages "Psychiatrie-Bibel unter Beschuss " einen Gastbeitrag zu schreiben, indem ich die diskutierten Phänomene und deren Probleme beschreibe. Nun ist der Artikel (etwas entschärft) veröffentlich worden:

Mann, Frau und das Tabu der Uneindeutigkeit

Ich bin bereits sehr gespannt auf die Diskussion.

Samstag, 3. Oktober 2009

Rückschläge

Vor kurzem zeigte ich mich noch erfreut, dass die Berichterstattung über Transsexualität sich stark verbessert hat. Ausgerechnet die ambitionierte Welt(.de) schaffte es allerdings, sich in einem einzigen Artikel, Transsexuelle lächerlich zu machen, Intersexuelle auszuradieren und dem Leser dabei noch das Gefühl zu geben, moralisch gegenüber Arabischen Ländern zu stehen.
Frau darf Auto fahren – nach Geschlechtsumwandlung Von Dietrich Alexander
Die Haltung Saudi Arabiens, nur "Transsexuelle" zu behandeln, die eine intersexuelle Kondition nachweisen können spiegelt sich übrigens auch mit der Agyptens, die letztes Jahr gross ankündigten, Behandlungen für "Transsexuelle" nach international anerkannten Standarts einzuführen - aber in Wirklichkeit eben mit genau diesem Haken.

Auch Thailand, einstmals Vorbild im unkomplizierten Umgang mit Geschlechtsvarianzen (außer im Personenstandsrecht), verkompliziert den Zugang zu notwendigen Behandlungen immer weiter. Während vergangenes Jahr die Orchitektomie für unter 18 jährige Verboten wurde, ist kürzlich angekündigt worden dass keine Geschlechtsangleichende Operationen an unter 18 jährigen Erlaubt sind und 18 - 20 Jährige die Erlaubnis der Eltern brauchen. Das Betrifft auch junge Patienten aus Europa, die von Suporn mit Einverständnis der Eltern bereits ab 16 behandelt werden konnten, Ich weiß von mindestens einer deutschen, die das zwei Jahre vor Kim Petras in Anspruch genommen hat. Ab 18 wahr das Einverständnis der Eltern auch nicht mehr Erforderlich. Warum sollten die es auch besser wissen als die konsultierten Ärzte? Ohne Überweisung macht nämlich auch Dr. Suporn keine Operation.