Kim Petras hat sich mit ihrem Auftritt vor einigen Jahren bei Stern TV sehr um das Verständnis von Transsexualität verdient gemacht und vermutlich vielen, wenn auch immer noch viel zu wenigen, Transsexuellen Kindern einen Weg aufgezeigt, das rechtzeitige Hilfe möglich ist.
Für sie bedeutete das jedoch leider, dass sie nun fortan immer mit dem Nimbus der bekannten Transsexualität leben muss. Schon damals wurde ihr ein Superlativ von den Medien vergeben: Deutschlands jüngste Transsexuelle - das war gleich doppelt falsch, den
a) wird man Transsexuell geboren, dementsprechend sind schon Babys transsexuell,
b) befanden sich zu der Zeit einige weitere Kinder in Behandlung, also selbst wenn man einen verschluckten Nachssatz (... in Behandlung) hinzudenkt, ist es falsch.
Was das für sie bedeutet, kann man zum Beispiel aus folgendem Blogpost folgern, ähnliche Aussagen habe ich in der internationalen Blogszene oder in den Kommentaren ihrer Youtubevideos gefunden.
Nun nutzt die Gute aber ihren Bekanntheitsgrad fleissig aus, und da sie nun ein Musikvideo veröffentlich hat, wird dieses auch gleich weiträumig Promotet... mit einem neuen Superlativ - sie wäre die jüngste Geschlechtsumwandlungspatientin. Ich bin ziemlich sicher, dass das auch so in der Pressemitteilung steht, denn exakt das ist es, was die Medien, die etwas bringen, als gemeinsamen Nenner für ihre Artikel haben.
Diesen Sensationseffekt auszunutzen, mag für ihre Karriere gut sein, denn das Musikvideo alleine ist bei weitem nicht gut genug, um für Aufmerksamkeit zu sorgen:
Der Sound ist zum einschlafen, die Umsetzung der Choreographie katastrophal.
Leider macht sie mit dieser Art des Marketings so ziemlich alles Gute, was sie durch ihr frühes Outing geleistet hat, wieder kaputt.
Denn wie erhofft stürzen sich die Boulevard Medien darauf und verwursten das Thema aufs schlimmste.
Den schlimmsten Artikel hat die Sun geliefert:
Pop star Kim used to be Tim
(Pop Stern Kim lebte mal als Tim)
Wobei natürlich von Geschlechtsumwandlung (Sexchange) geprochen wird
und
Teen tranny's deebut video
Teenager Transes Videoprimiere
(Und der URL steht sogar transvestite teen - Transvestiten Teenager)
Und der britische Daily Star gibt Nachschlag:
POP QUEEN USED TO BE A BLOKE
Pop Prinzessin lebte mal als Macker
Die Berichterstattung im einzigen deutschsprachigen Medium, bei dem ich etwas gefunden habe betrifft, ist sie bis auf den Titel fast human:
Neue Single, neues Geschlecht, neuer Star? bei 20min
Erst kürzlich habe ich darüber geschrieben, was diese Art der Berichterstattung für Betroffene bedeutet (Worte, die töten), und hier wird es aktiv von Kim Petras (und der Marketingabteilung ihres Plattenlabels) gefördert.
Ganz abgesehen davon, dass du liebe Kim Petras nicht die jüngste mit einer Geschlechtsangleichung bist. Da können Intersexuelle (angefangen bei Micropenis) oder Menschen wie David Reimer ein negatives Lied von Singen und die Deutsche, die vor zwei Jahren schon mit 16 bei Dr. Suporn war, war wohl im positiven Sinn etwas schneller. Und ich habe keinen Zweifel daran, dass in anderen Kulturen wie Thailand früherer (eingewilligte) GaOPs schon öfter vorkamen.
Nachtrag: Jetzt berichtet auch Bild.de - für Bild ein erstaunlich ausgewogener Blick, aber sie kommen auch nicht um ein, vermutlich in den Mund gelegtes "Ich war mal ein Junge!" und die grossen Letter "SIE wusste früh, dass ER ein Mädchen ist!" aus... und natürlich redet auch die Bild von "Geschlechtsumwandlung".
Ich bin erstaunt, dass die deutschsprachigen Boulevardmedien sich etwas besser tun. Vielleicht haben die vielen Proteste nach der Berichterstattung über Lorielle London (siehe z.B. Berichte auf Mut23.de bzw Homepage des Vereins Aktion Transexualität und Menschenrecht E.V.) etwas gebracht haben.
Nachtrag 2: Laut "The Lesbian and Gay Foundation" hat die "Queer youth foundation" Zahlreiche Beschwerden wegen der Berichterstattung der Sun eingereicht. Besonderst ging es dabei um eine Kolumne von Jon Gaunt in der er Kim Petras fehlgeleitet, leicht Krank, Unverschämt bezeichnete und von ihrer Operation als schwere Verstümmelung gesprochen hat. Auch ein Vergleich mit Michael Jackson blieb nicht aus "Und sie dachten, er währe seltsam?"
Was unterscheidet diejenigen, die uns angreifen, von uns selbst?
-
*Der erste Schritt, damit Menschen gesellschaftlich gleichberechtig leben
können, ist der, sich selbst als echt anzuerkennen. Selbstbestimmtheit
heisst, ...
vor 4 Wochen
9 Kommentare:
Komisch. Wir haben gerade heute eine Mail u.a. den Deutschen Presserat geschickt. Der Text ist auch hier zu lesen:
http://atme-ev.de/index.php?format=feed&type=rss
Hallo Kim (nicht Petras) habe es gleich im Text ergänzt.
Der Blick hats gestern auch gebracht, der Artikel war eigentlich noch erträglich, aber die Kommentare online sind teilweise einfach abartig:
http://www.blick.ch/people/international/kim-16-war-mal-tim-123758
hab heute morgen einen kurzen Kommentar beim Blick eingegeben und der ist nun online. Manchmal werden die Kommentare in der Printausgabe als Leserbriefe publiziert, es könnte sich also lohnen, da Kommentare zu schreiben. Aber beachtet, dass beim Blick nur 3 Zeiler angenommen werden, lange Texte haben keine Chance ;-)
Die müssen ja das Niveau ihrer typischen Klientel beachten...
Die Klientel (Blick-Leser) outet sich ja selbst als frei-von-Verstand. Da wären mehr als drei Zeilen wohl radikale Überfordernung ;-)
Blick? Kann mensch das essen?
Ach nee, wäre zum lesen...aber ich nutz das nicht einmal zum AA wegmachen, da is mir das AA zu schade für xD
Aber genug über den Blick hergezogen. Ich finds schade, dass nun scheinbar das gute Vorbild kratzer abbekommt, allerdings denke ich, war das voraussehbar. Könnte mir auch vorstellen, dass es ihr selber zuwider ist, aber die Plattenfirma das eventuell so wollte und sie sich vllt nicht wehren kann/traut what ever.
Kurz gesagt, möchte KP nicht voreilig verurteilen...und nee, ich unterstelle nun nicht, dass das hier jemand getan hätte ;-)
Just my 2 Dappers
PS: Mit dem Musikvideo haste recht...aber ihre Musik ist eh nicht so mein Ding
Auf Kabel 1 News gab es ein kurzes Interview mit ihr, wo sie auch gesungen hat - und definitiv gut. Ich sags einfach mal so, sie hat definitiv viel Entwicklungspotential, aber ohne den Exotenbonus hätte sich sicher kein Plattenlabel finden lassen.
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