Mittwoch, 10. Februar 2010

DSM V Entwurf

Die DSM ist die sogenannte Psychatriebibel, in der Arbeitsgruppen die Diagnosen und Diagnosekriterien festlegen. Die ICD Schlüssel der WHO übernehmen diese im Allgemeinen, so wie es auch für die ICD 11 zu erwarten sein wird. Es ist deshalb immens wichtig, wie hier mit den bisherigen Diagnosen:
302.6 Gender Identity Disorder in Children
302.85 Gender Identity Disorder in Adolescents or Adults
und
302.6 Gender Identity Disorder Not Otherwise Specified
also "Geschlechtsidentitätsstörung bei Kindern", "Geschlechtsidentitätsstörung bei jugendlichen und Erwachsenen" sowie die meist für Intersexuelle genutzte "Geschlechtsidentitätsstörung nicht weiter spezifiziert" verfahren wird.

Die schlechte Nachricht: Sie werden nicht entfernt (zugunsten einer medizinischen Diagnose), wie von vielen Betroffenen und Menschenrechtsorganisationen (wie z.B. ATME) gefordert und neurologische Ursachen werden weiterhin totgeschwiegen.

Intersexualität ist kein Ausschlusskriterium mehr (bzw. wird nicht auf 302.6 geparkt), was aber auch bedeutet, dass
a) Intersexuelle mit einer vergangenheit chirurgischer Zwangszuweisung im für sie falschen Geschlecht in einer "Psycho-"Gruppe mit Transsexuellen landen.
b) wenn es im ICD Schlüssel so übernommen wird, zumindest in Deutschland evt. weniger Probleme entstehen, gerade wenn eine IS Kondition erst im Rahmen der Behandlung entdeckt wird.
Ich kann mir vorstellen, dass es für diejenigen die sich immer für eine strikte Trennung von IS und TS eingesetzt haben eine mittlere Katastrophe ist und es eine Menge Schuldzuweisungen an TG/TS Organisationen geben wird.
Ein weiterer Ärgernis für viele intersexuelle Menschen dürfte die Verwendung der DSD (Disorders of sexual development) Nomenklatur darstellen.

Es gibt aber auch eine Menge Positives.

"Gender Identity Disorder in Children" soll zu Gender Incongruence (in children) werden.

Insgesamt gibt es jetzt 8 Diagnosekriterien, von denen mindestens 6 erfüllt sein müssen (früher 4 von 5) und eine davon muss in jedem Fall der Wunsch, dem anderen als dem zugewiesenem Geschlecht anzugehören oder die überzeugung, dem anderen als dem zugewiesenem Geschlecht anzugehören, sein.

Die Zwangspathologisierung geschlechtsrollenunkonformer Kinder (Jungen, die mit Puppen spielen oder Mädchen, die Fussball lieben und lieber kurze Haare haben usw.) wird damit stark eingeschränkt.

Die Kriterien gehen hauptsächlich auf Cohen-Kettenis zurück, die sich sehr um die Behandlung von betroffenen Kindern und Jugendlichen Verdient gemacht hat.

"Gender Identity Disorder in Adolescents or Adults" zu
Gender Incongruence (in Adolescents or Adults)

Die Formulierung ist dahingehenden abgeändert worden, das nicht mehr vom "anderen Geschlecht" sondern vom zugewiesenem Geschlecht gesprochen wird. Begründet wird dies damit, dass das zugewiesene Geschlecht recht beliebig sein kann und dass die Diagnose damit nach Behandlung und Zufriedenheit des Patienten auch verschwindet. Gleichzeitig gilt dies dann auch für Rückkehrer.

Es gibt noch vieles weiteres Interessantes, unter dem Reiter [Rationale] finden sich jeweils ausführliche Begründungen.

Edith sagt: Noch ein kleiner Nachrtrag. Es wird auch sehr darauf geachtet, dass das Erfahrene Geschlecht binäres sein muss: the other gender (or some alternative gender different from one’s assigned gender)