Vor einem Jahr folgte ich dem durch meine Therapeutin herbeigeführten Entschluss, den Alltagstest doch an zu gehen, eigentlich wollte ich erst lange Hormone und eine FFS.
Meine Kollegen in der damaligen Firma reagierten absolut wünschenswert und es gab viel Unterstützung, wenn wir auch manchmal überlegten, ob eine Kasse für die falsche Ausdrucksweise in 3. Rede nicht die nächste Betriebsfeier bezahlen könnte. Zu allem Überfluss wäre ein Teil davon von mir selbst beigesteuert worden. Sprachgewohnheiten legt man nicht so leicht ab, Auch König Aragorn war noch der "Streicher" für ein paar Hobbits.
Als meine Kolleginnen, vermutlich sogar extra Aufgrund dieses Anlasses, einen "Womans-Only" Abend, gennant Hexetreff, veranstalteten, gab mir das ein gutes Gefühl, aber ich stach mit meinem Äusseren einfach aus der Gruppe hervor und als später am Abend viel geflirtet wurde, hatte ich einen Nervenzusammenbruch - weil ich das Gefühl hatte, dass es noch Ewigkeiten geht, bis ich wirklich an diesen zwischengeschlechtlichen Spielen zugelassen bin.
Ich dachte, das beste wäre es zu Handeln statt zu Jammern und trug mich in Online Foren mit Flirtbezug ein. Und so hatte ich tatsächlich nur wenige Monate später ein heterosexuelles Erlebnis - allerdings letztlich doch zu Einseitig, meine falsche Anatomie konnte der Partner dann doch nicht verwinden.
Da mir das ganze auch nicht so viel gebracht hat (ein Schicksal, das wohl viele Frauen bei lockerem Sex teilen) begrub ich die Sache erstmal auf meine Post Op Zeit, die auch jetzt noch bevor steht.
Mein Arbeitgeber kündigte wahrhaft Betriebsbedingt, ich fand einen Neuen, alles unter sehr guten Vorzeichen. Und ich konnte es geniessen, in diesem Kreis erstmal nur Frau zu sein, auch wenn das Wissen um mich sich verbreitet hat, kam es bislang z.B. nur zu zwei Fällen., wo die Betriebsfeierkasse hätte gestützt werden können und ich sage gar nichts mehr, dass auf das Thema stösst, weil ich merke, dass das die Leute trotz Vorwissen verunsichert.
Im Restalltag habe ich eigentlich ein gutes Passing, kaum jemand schaut mich zu lang oder zwei mal an, aber ich kenne auch die Gegenseite, jetzt, ohne Hormone.
Nun habe ich ja lange meine TS an den gefühlten körperlichen Unstimmigkeiten festgemacht, und manche meinen, dass sei das entscheidende Kriterium, einige gehen sogar so weit, zu behaupten, so etwas wie eine Geschlechtsidentität gebe es nicht.
Kann ich nicht bestätigen. Ich bin sicher nicht die stereotype Frau (vielleicht aus Männersicht?) die Gender zum Extrem auslebt. Ich wollte Ich sein. Und genau das ist nach dem sozialen Umstieg auch eingetreten.
Ob man es wahrhaben will oder nicht, der granze Grund, warum man so genau wissen will, ob man es mit Mann oder Frau zu tun hat, ist die Tatsache, dass man sich fast komplett unterschiedlich verhält, je nachdem welches Geschlecht man vor sich hat. Und so ist alles was Unnatürlich war an mir, jetzt natürlich in den Augen anderer. Und wenn es eine Geschechtsidentität nicht geben sollte, wieso bedeutet mir das so viel?
Ich bin Frau, das ist der Kern meiner Identität, solange ich mit der festgeschweisten Maske der Maskulinität herum gerannt bin, musste ich dieser Rolle entsprechen - ich habe versucht der beste Mann zu sein, den eine Frau geben kann als ich das verstanden habe - und so schlecht war ich darin gar nicht. Aber das war nicht ich, so konnte ich auf Dauer nicht leben. Mein wahres Ich hat viel mehr Fehler, und diese wurden nicht reflektiert und ich habe daran gearbeitet, dieses ich das ist jetzt Frei. Ein Ich das auch Fehler hat - und neu daraus lernen muss.
Einen Alltagstest, wie es vielerorts genannt wird, gab es für mich nie.
Eine Alltagserfahrung ist es mit Sicherheit - eine, die sich für den Rest meines Lebens fortsetzen wird. Nicht mehr auf seltsame Art getrennt von der Aussenwelt, sondern mittendrin.