Freitag, 5. September 2008

Die nächste Baustelle...

... habe ich ausgerechnet da wo ich am wenigsten damit gerechnet habe. Durch die RadFem Diskussion bin ich auf folgendes hervorragendes Blog gestossen: Questioning Transphobia.

Einen Artikel übersetze ich gerade und hoffe ihn mit Einverständnis der Autorin dann hier veröffentlichen zu können. Einen anderen fand ich ziemlich gut. In diesem geht es um die, im deutschsprachigen Raum weitestgehend unbekannte, „Harry Benjamin Syndrom“-Fraktion (HBS). Das sind transsexuelle Frauen, die sich den derzeitigen Vorschungsstand so hindrehen, dass es nur wahre Transsexuelle (und die Hürden sind hoch) oder Spinner gibt, auf die jede Zuweisung passt, welche die Psychologie die letzten 100 Jahre auf uns zu projezieren versuchte. Nur sie haben also eine körperliche Ursache vorzuweisen und sind damit besser als die anderen.

In den Kommentaren zu diesen Artikeln ging es dann aber darum, das Kind mit dem Bade auszuschütten, und die ganze wissenschaftliche Argumentation mit der HBS-Diskriminierung gleichzusetzen. Und da schritt ich dann ein. Dann mussten ich und Zoë Brain erstmal den Vorwurf anhören, wir wären wohl HBSler, wenn wir körperliche Ursachen betonen, nachdem das ausgeräumt war wurde die wissenschaftliche Relevanz der Studien bezweifelt (mehrheitlich anhand zu wenig Teilnehmern an den Studien) und die ganzen Hinweise die man nicht als direkten Beweis, sondern nur als deutlichen Indikator sehen kann gleich ganz unter den Teppich gekehrt. Ich will hier nicht nochmal darauf eingehen, warum ich das für ausgesprochene Ignoranz halte, sondern warum sich so viele transsexuelle- und transidente Menschen dagegen wehren.

Nun, zum einen hat es in den USA einige andere Formen der Diskrimisierung, die den Diskutanten, die ja mehrheitlich Amerikaner sind oder aus den Bereichen des ehemaligen Commonwealth kommen, verständlicherweise wichtiger sind. Toiletten habe ich schon genannt, auf RadFems bin ich auch schon eingegangen. Man will Akzeptanz aufgrund seiner Identität nicht Aufgrund irgendwelcher medizinischer Nachweise.

Andere Argumente, die ich auch im deutschsprachigen Raum schon gehört habe sind:
- Sind die Ursachen gut erforscht, werden Kinder vielleicht abgetrieben, die wohl TS werden.
- Man hat Angst, dass das eben doch nicht der entscheidende Faktor ist und man aber nicht mehr behandelt wird, weil man nicht mehr in die Diagnosekriterien passt.
- Wissenschaft wird uns nicht helfen, nur die Einsicht der Gesellschaft.

Die ersten beiden Argumente sind schnell ausgeräumt, auch Intersexuelle Kinder werden nicht abgetrieben und die psychologischen Verfahren dürften nicht aus der Welt sein, wenn weiterhin Leute darauf bestehen TG oder TS zu sein, denn man tut sich ja jetzt schon schwer. Ich glaube, dahinter versteckt sich noch eine andere Angst, viel subtiler:

Das unsere Identität vom Körper bestimmt wird, und nicht von unserer Seele.

Den letzten Kommentar dagegen halte ich für falsch. Meine Erfahrung mit Menschen ist, dass ein gegengeschlechtliches Gehirn nicht betroffenen Menschen weitaus mehr einleuchtet, als das abstrakte „Identitätsgeschlecht“. Das Transsexuellengesetz wird ja auf Empfehlung der Psychologen, die eine psychische Entwicklungsstörung propagieren, auch nicht verbessert. Die Behandlung im deutschsprachigen Raum beruht noch auf ein Jahr Psychotherapie und ein Jahr Alltagstest ohne Hormone. Auch dies gerne Begründet in der Sicherheit, Geschlechtsidentität sei etwas Psychisches.
Der Rest der Welt hat dagegen längst die International Standarts of Care übernommen, und die sie sind, so wie sie Formuliert sind, grösstenteils als Behandlungsempfehlung aus der Sicht der Betroffenen gut zu akzeptieren, wenn auch hier das sichtbare Geschlecht und nicht das innere in der Formulierung zum tragen kommt.
Wie sehr der Nimbus der Geisteskrankheit Transsexuellen schadet, kann man in den häufigen Kommentaren zu Artikeln lesen, die über Transsexuelle berichten.
z.B.:
- Das ist doch nichts anderes, als wenn sich jemand einbildet Napoleon zu sein
- Transsexualität ist die einzig psychische Krankheit, die statt geheilt zu werden, auch noch gefördert wird.
- Wie ist ihr psychischer Zustand nach dem Wechsel, drehen die nicht auf Dauer durch?
- Sollen die doch machen was sie wollen, aber nicht auf Kosten der Allgemeinheit (Krankenkasse/Staat)
- Ein Mann bleibt immer ein Mann
Usw…

Das bekämpft man nicht, indem man an die Menschlichkeit appelliert. Das kann man nur mit Information bekämpfen. Informationen, die auch leicht zu verstehen sind.

PS: Kommentare oder eine Diskussion sind durchaus erwünscht